Dienstag, 5. Januar 2010
Eigenarten
silf, 01:14h
Wenn du mir deinen Rücken zudrehst, deinen schönen kalten Rücken, dann weiß ich nie, was ich sagen soll, ich weiß nicht einmal, was ich mir denken soll. Weil ich auch nie so genau weiß, was du denn gerade denkst, was du mir denn eigentlich damit sagen willst, wenn du mir deinen schönen kalten Rücken zudrehst. Manchmal überlege ich mir, dass du das vielleicht gar nicht mit Absicht tust, dass es nur eine deiner spröden Eigenarten sein könnte, die aber nichts bedeutet, zumindest nichts wichtiges, nichts, das mir etwas sagen soll. Ich würde dann gerne mit meinen Fingerspitzen deinen Nacken berühren, mit meinen Fingerspitzen deinen Haaransatz ganz sanft hinauf fahren und über den Ohren den Druck etwas verstärken, ein wenig nur, aber ich traue mich nicht, meine Hände heben sich und wollen dir und deinem Rücken und deinem Nacken entgegen kommen, aber auf halber Strecke bleiben sie stecken, auf der Höhe deiner Schultern und noch ein paar Zentimeter davon entfernt, dich zu berühren. Und du siehst es nicht, du siehst nicht, dass ich dich berühren möchte und es aber nicht kann, weil mir irgend etwas die Bewegung meiner Hände einfriert, du kannst nicht sehen, dass ich versuche mich dir zu nähern, denn du hast mir deinen schönen kalten Rücken zugedreht, und der Blick deiner Augen aus dem Fenster heraus verläuft sich zwischen dem Parkplatz und der Allee, und ich würde ihn gerne einfangen, diesen Blick, ich würde ihn mir gerne holen und ihn in meine Augen legen, würde ihn gerne lenken können, damit er nicht von mir weg, sondern zu mir her sieht, aber zwischen mir und deinem Blick liegen meine Hände, die sich nicht bewegen lassen und dein schöner kalter Rücken.
Und das alles, es ist überhaupt nicht schlimm, es macht überhaupt gar nichts aus, solange es nur eine deiner spröden Eigenarten ist, die aber nichts bedeutet, zumindest nichts wichtiges, nichts, das mir etwas sagen soll.
Und das alles, es ist überhaupt nicht schlimm, es macht überhaupt gar nichts aus, solange es nur eine deiner spröden Eigenarten ist, die aber nichts bedeutet, zumindest nichts wichtiges, nichts, das mir etwas sagen soll.
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Donnerstag, 24. Dezember 2009
Novembermorgen
silf, 03:16h
Als hätten sie seine Manteltaschen mit Steinen gefüllt. Als seien seine Augen leere Vogeleier, sein Mund selbst der verklemmte stumme Schrei, der es aus sich selbst heraus nicht geschafft hatte. Seine Hände liegen neben seinem Körper, als gehörten sie ihm nicht, als gehörten sie nicht zu ihm, weich und doch angestrengt verbogen in ihrer Blässe, beide Mittelfinger abgewinkelt, als wollten sie auf etwas zeigen, auf etwas hinweisen, auf das Letzte oder Erste, das hätte wichtig sein können.
Ich habe noch nie zuvor in meinem Leben einen Toten gesehen. Meinen Großvater durfte ich nicht sehen, ich sei zu klein dafür, hatten sie gesagt, ich dürfe ihn nicht zu Gesicht bekommen, weil er mich ängstigen würde, und ich war sehr klein damals, ich war sehr klein, aber ich weiß noch, schon damals dachte ich, mehr als lebend könne er mich nicht erschrecken, der alte wütende Großvater mit seinem zitternden verkniffenen Mund und dem stets zum nächsten Schlag bereit erhobenen Arm, und ich hörte, als sie dachten ich könne es gerade nicht hören, da hörte ich wie sie sagten, es sei gut dass es ihn nicht mehr gebe, denn jetzt könne er keinem der Kinder mehr weh tun, er könne sie nicht mehr verängstigen. Und ich verstand nicht, warum ich ihn nicht sehen durfte, aber ich konnte auch nicht fragen, denn sie wussten nicht, dass ich sie gehört hatte.
Und jetzt liegt also dieser Mann vor mir auf dem Kies, und ich kann mir nicht so wirklich vorstellen wie er dahin gekommen ist, wie er auf den Kies gespült wurde, hier genau vor meine Füße an diesem kalten Novembermorgen, als sei er aus dem Rhein gestiegen, um sich hier hin zu legen, so liegt er da, als habe er sich selbst aus dem dunkelgrauen Wasser gezogen und es sich bequem gemacht, als sei er erst dann gestorben, nur seine Hände, die konnte er wohl nicht mehr richtig hinlegen, für seine Hände hat er keinen Platz mehr gefunden, genau so sieht es aus. Sein Gesicht ist ganz weiß und aufgedunsen, seine Augen starren halbgeöffnet irgendwo in das trübe Nichts eines Himmels, der selbst noch nicht so recht weiß, ob er hell werden soll oder nicht, und ich frage mich ob ich dem Verlangen nachgeben darf, ihm die Haare zu ordnen, sie sind so wirr und dunkelgrau wie das Wasser, und ich denke mir, dass sie bestimmt auch so kalt sind wie es das Wasser sein muss, das Wasser an diesem dunkelgrauen Novembermorgen, an dem man Stunden damit zubringen kann, auf den Sonnenaufgang zu warten, und man bemerkt nicht, dass es schon längst passiert ist, dass die Sonne schon längst aufgegangen ist.
Ich habe noch nie zuvor in meinem Leben einen Toten gesehen. Meinen Großvater durfte ich nicht sehen, ich sei zu klein dafür, hatten sie gesagt, ich dürfe ihn nicht zu Gesicht bekommen, weil er mich ängstigen würde, und ich war sehr klein damals, ich war sehr klein, aber ich weiß noch, schon damals dachte ich, mehr als lebend könne er mich nicht erschrecken, der alte wütende Großvater mit seinem zitternden verkniffenen Mund und dem stets zum nächsten Schlag bereit erhobenen Arm, und ich hörte, als sie dachten ich könne es gerade nicht hören, da hörte ich wie sie sagten, es sei gut dass es ihn nicht mehr gebe, denn jetzt könne er keinem der Kinder mehr weh tun, er könne sie nicht mehr verängstigen. Und ich verstand nicht, warum ich ihn nicht sehen durfte, aber ich konnte auch nicht fragen, denn sie wussten nicht, dass ich sie gehört hatte.
Und jetzt liegt also dieser Mann vor mir auf dem Kies, und ich kann mir nicht so wirklich vorstellen wie er dahin gekommen ist, wie er auf den Kies gespült wurde, hier genau vor meine Füße an diesem kalten Novembermorgen, als sei er aus dem Rhein gestiegen, um sich hier hin zu legen, so liegt er da, als habe er sich selbst aus dem dunkelgrauen Wasser gezogen und es sich bequem gemacht, als sei er erst dann gestorben, nur seine Hände, die konnte er wohl nicht mehr richtig hinlegen, für seine Hände hat er keinen Platz mehr gefunden, genau so sieht es aus. Sein Gesicht ist ganz weiß und aufgedunsen, seine Augen starren halbgeöffnet irgendwo in das trübe Nichts eines Himmels, der selbst noch nicht so recht weiß, ob er hell werden soll oder nicht, und ich frage mich ob ich dem Verlangen nachgeben darf, ihm die Haare zu ordnen, sie sind so wirr und dunkelgrau wie das Wasser, und ich denke mir, dass sie bestimmt auch so kalt sind wie es das Wasser sein muss, das Wasser an diesem dunkelgrauen Novembermorgen, an dem man Stunden damit zubringen kann, auf den Sonnenaufgang zu warten, und man bemerkt nicht, dass es schon längst passiert ist, dass die Sonne schon längst aufgegangen ist.
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die bewegung der fensterfronten
silf, 03:14h
manchmal bewegen sich die fensterfronten
du stehst dahinter und spürst den luftzug
ein hauch
der auch
mitreißend sein könnte
du stehst nur da und siehst hinaus
auf gletscherberge oder vogelnester
fragst dich ob das ziehen in deinem bauch traurigkeit: :ist
oder fernweh
oder hunger
kannst dich nicht einschätzen
kannst den anderen nicht einschätzen
kannst die welt nicht verstehen
denn alles das du hast ist dieses ziehen in deinem bauch
die bewegung der fensterfronten
der lufthauch den du spürst
und dein unverständnis.
du stehst dahinter und spürst den luftzug
ein hauch
der auch
mitreißend sein könnte
du stehst nur da und siehst hinaus
auf gletscherberge oder vogelnester
fragst dich ob das ziehen in deinem bauch traurigkeit: :ist
oder fernweh
oder hunger
kannst dich nicht einschätzen
kannst den anderen nicht einschätzen
kannst die welt nicht verstehen
denn alles das du hast ist dieses ziehen in deinem bauch
die bewegung der fensterfronten
der lufthauch den du spürst
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Dienstag, 2. Juni 2009
Erwartungshaltung
silf, 01:21h
stillgewordene Einsamkeit
totgeschwiegene Alleinsamkeit
zusammengedrückte Hände ergeben Fäuste
ich könnte niemals sagen wo du bist
was wichtig ist
was wichtig bleibt
müde bleierne Schwere
Nutzlosigkeit unangezweifelt
wer versteht schon die paar Worte
Tod auf langsamen Schritten
Sonne als hohles Versprechen
leere Fenster großer Schein
irgendwo bleibt eine Erwartung
sie verlacht sich selbst
und gurgelndes Wasser darüber
totgeschwiegene Alleinsamkeit
zusammengedrückte Hände ergeben Fäuste
ich könnte niemals sagen wo du bist
was wichtig ist
was wichtig bleibt
müde bleierne Schwere
Nutzlosigkeit unangezweifelt
wer versteht schon die paar Worte
Tod auf langsamen Schritten
Sonne als hohles Versprechen
leere Fenster großer Schein
irgendwo bleibt eine Erwartung
sie verlacht sich selbst
und gurgelndes Wasser darüber
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Sommersonnenwende
silf, 01:20h
Sommersonnenwende. Wo.
Zuviel Zuwenig der Müdigkeit
Geräuschlose Stille hinter tosenden Gedanken
Kochlöffellange Schatten
Drohgebärden
Schweigend grinsen
Dem Luftzug knapp entkommen
Bereutes Warten
Vergessen auf was
Vergessen durch wen
Und am Ende bleibt
Was übrig scheint
Schwerelosigkeit vergisst du nicht.
Zuviel Zuwenig der Müdigkeit
Geräuschlose Stille hinter tosenden Gedanken
Kochlöffellange Schatten
Drohgebärden
Schweigend grinsen
Dem Luftzug knapp entkommen
Bereutes Warten
Vergessen auf was
Vergessen durch wen
Und am Ende bleibt
Was übrig scheint
Schwerelosigkeit vergisst du nicht.
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Sinnentfremdung
silf, 01:18h
der letzte Satz des Abends
nachhallend hinter Monitoren
der vorletzte Schmerz unter die Bettdecke gedrückt
bereit den Träumen zu weichen
deine Hände haben ihren Platz zwischen meinen Schultern vergessen
liegengelassen weil man mich liegen ließ
und die Bleistiftzeichnung neben der Sinnentfremdung einer Handschrift
bleibt von jedem Auge unberührt
keine Angst vor Unzulänglichkeit
wer Atem schöpft denkt nicht für Sekunden
der Blick zurück stellt eine dieser Fragen
ach so.
nachhallend hinter Monitoren
der vorletzte Schmerz unter die Bettdecke gedrückt
bereit den Träumen zu weichen
deine Hände haben ihren Platz zwischen meinen Schultern vergessen
liegengelassen weil man mich liegen ließ
und die Bleistiftzeichnung neben der Sinnentfremdung einer Handschrift
bleibt von jedem Auge unberührt
keine Angst vor Unzulänglichkeit
wer Atem schöpft denkt nicht für Sekunden
der Blick zurück stellt eine dieser Fragen
ach so.
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